Le jour de gloire est arrivé?

Mein Gott, hat sich die Welt verändert! Meistens denken wir dabei an die Technik, die Zeiten, als es noch keinen Anrufbeantworter, keine CD-Player, keine Holographie, keine Einheitliche Feldtheorie und keine virtuelle Realität gab. Zu der Realität, die wir vorfanden, gehörten Frauen, die Panik bekamen, wenn samstags der Fernseher kaputt war und der Mann nicht Sportschau gucken konnte und die montags, auch bei wolkigem Himmel, zum Einkaufen erschienen und dabei Sonnenbrillen trugen, weil sie Opfer ehelicher Gewalt geworden waren. Bankkonten durften sie später erst selbst eröffnen genauso wie sich entscheiden, ob sie arbeiten gingen oder nicht. Und als die erste Ministerin im Kabinett Adenauer erschien, redete er die Riege mit „meine Herren“ an. Auf den Protest der Ministerin, sie sei eine Dame, schrie dieser ziemlich echauffiert: „Hier sind Sie immer noch ein Herr!“

Seit den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts hat sich vieles getan und es geschah nicht von selbst. Frauen standen auf, um sich Rechte zu erkämpfen und Männer machten mit. Alles, was heute als die Errungenschaften der Frauenbewegungen gepriesen wird, wäre undenkbar ohne eine Generation von Männern, die mitmachten bei der Neudefinition der Rollen. Heute, rückblickend, wurden heftige und ebenso naive Diskussionen geführt. Bücher mit Titeln, die die heute Jungen eher befremdlich fänden, erhitzten die Gemüter, von der Funktion des Orgasmus in der spätkapitalistischen Gesellschaft, über Bornemanns Patriarchat bis zu Wesels Mythos vom Matriarchat. Der sexuellen Befreiung folgte so manche Prüderie und neben dem allmählichen Wandel der realen Lebenswelten hielten sich die Hard-Core-Ideologinnen, die dem eigenen Geschlecht nicht halfen, sondern einen Mühlstein nach dem anderen um den Hals hängten.

Heute, gut vierzig Jahre später, sind die verschiedenen Konturen immer noch sichtbar und vieles ist noch nicht erreicht. Vom Zeitgeist ist das Maskuline in der Defensive, was angesichts der anthropologischen Axiome verkraftbar, gesellschaftlich gesehen nicht glücklich ist. Aber das sind Petitessen angesichts der grandiosen Erfolge, trotz der Widerstände des Machismo und trotz der Inquisitorinnen im eigenen Lager. Erfrischend die Erkenntnis, das Dogmatismus und Inquisitorenlogik geschlechterunabhängig jeder Bewegung schaden und das Leichengift eines jeden Emanzipationsgedankens darstellen.

Vielleicht gehört auch zur Normalität, dass die Überhöhungen ein Ende finden. Deutschland wird an entscheidenden Stellen von Frauen dominiert, Angela Merkel, Liz Mohn und Hilde Springer mögen dafür stehen. Macht, ansonsten ein eindeutiges Signum für Erotik, scheint angesichts derartiger Konstellationen zuweilen das Gegenteil zu bewirken. Es ist gut, dass derartige Illusionen geplatzt sind, Frauen die sich mit der Macht einlassen, handeln so, wie Mächtige das immer getan haben, sonst wären sie nicht da, wo sie sind.

Lauscht man Dialogen der Jungen, dann erscheinen die jungen Frauen oft so wie vor vierzig Jahren die Männer, und bei den jungen Männern ist es nicht selten umgekehrt. Die Dominanz liegt bei den Frauen, und die Männer, sozialisiert in einer Welt, in der vieles im Fluss war, erscheinen oft als Vertreter der moderaten Belanglosigkeit. Da braucht man weder Dreispitz noch Messingfernrohr, um einen erneuten Wandel vorauszuahnen. Und das gehört vielleicht zu den Lehren eines halben Jahrhunderts der Rollenreflexion: Der Schlüssel für die Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern liegt nicht in der Dominanz, sondern in der Autonomie beider. Diese Erkenntnis ist radikal und wird noch vieles revolutionieren. Vieles ist geschehen. Noch mehr muss verändert werden.