Urbane Beiträge und rurale Eliten

Sozialstatistiken sind das eine. Sie zeigen seit zwei Jahrzehnten eine wachsende Spaltung der Gesellschaft zwischen zunehmend arm und bedürftig hier und reich und etabliert dort. Das schlägt sich in vielerlei Entwicklungen nieder, bis hin zu so wichtigen Gütern wie Bildung und Gesundheit. Dagegen etwas zu tun, erklärt mal die eine oder andere Partei und wenn es hoch kommt, kann man dann in den Budgets des Bundes, der Länder und der Kommunen sehen, ob man zumindest in Form der Geldverwendung etwas zu tun gewillt ist. Ob das dann immer auch gleich etwas bewirkt, ist die weit wichtigere Frage, die sich aber erst allmählich hierzulande in den Vordergrund drängt.

Dort, wo man aber sofort und deutlich sehen kann, für wen in dieser Gesellschaft etwas getan wird oder, anders herum formuliert, wer seine Interessen durchsetzt, das sind die Städte. In den Städten wird sehr schnell deutlich, worum es wem geht und wer letztendlich Mitglied der Gesellschaft im Sinne einer tragenden Säule oder eben nur als Nutznießer mit begrenztem Horizont zu bezeichnen ist.

Sobald ein Theater in den Reichenvierteln seine Spielstätte verliert, wir ein großes Gewese um den kulturellen Beitrag dieser Institution gemacht, auch wenn die Qualität des Programms der von Soap Operas entspricht. Entdecken irgendwo an einem Fluss die Menschen, dass man dort im Sommer auch einmal Grillen könnte, dann dauert es nur kurze Zeit, bis eine, natürlich ökologische und nachhaltige Bewegung auftritt, die für den Schutz der Flusswiesen mobilisiert. Sind die Straßen schlecht in den Vierteln der Wohlhabenden, so dauert dieser Zustand zumeist nicht lange an und existieren dort Sportstätten, so kann man sicher gehen, dass die Ruhe der tendenziellen Müßiggänger nicht nachhaltig gestört wird.

Im Gegensatz dazu haben die wirklich gewagten Kulturprojekte immer noch ihre Heimat in den Arbeiterbezirken, wo es auch toleriert wird, wenn im Sommer gegrillt wird oder Live-Musik gespielt wird. Die schlechten Straßen kennt man nur so und wenn es Großereignisse gibt, dann wird das als ein Vorteil der Großstadt angesehen und nicht als Belästigung der Privatidylle.

Es ist zunehmend zu beobachten, dass die gesellschaftlichen Eliten sich der positiven Ergebnisse der Gesellschaft bedienen, es aber nicht einsehen, sich an der Schaffung dieser Werte zu beteiligen. Die städtische Existenz erscheint ihnen als eine Last, die sie nicht einsehen aufzubringen, während die andern Sozialschichten die Selbstverständlichkeit nicht hinterfragen: Ein Gemeinwesen bietet Vor- und Nachteile und es ist absurd, die Vorteile genießen zu wollen und gegen die Nachteile zu mobilisieren. Genau letzteres ist der Fall: Die städtischen Eliten schotten sich zunehmend ab, sie negieren die „Kontamination“ der urbanen Zivilisation, möchten aber an der Subventionierung ihrer Spezialinteressen in hohem Maße teilhaben. Das Geschrei um die Subventionstöpfe wird immer lauter, das Steueraufkommen derer, die am meisten von Zuwendungen profitieren, immer geringer.

So absurd es klingen mag: Die Bedürfnisse derer, die Hilfe brauchen, sind in den letzten Jahrzehnten bis zur Unkenntlichkeit durchrationalisiert worden. Und der soziale Eskapismus derer, deren Beitrag zum Gemeinwesen dramatisch schrumpft, ist immer luxuriöser subventioniert worden. Wie kann, so pflegte der legendäre Titus zu fragen, ein kleiner Fisch so stinken? Vom Kopfe, war die von ihm so geliebte Antwort, und damit meinte er die Eliten.

2 Gedanken zu „Urbane Beiträge und rurale Eliten

  1. Avatar von monologemonologe

    Der kleine Fisch hinkt, ist wohl eher ein toller Hecht, trotzdem ist das alles natürlich ganz richtig. Ich frag mich nur immer, ob es nicht dasselbe ist, was Arm und Reich im Innersten zusammenhält und mittels Tausch der Mittel zur „Selbstverwirklichung“ austauschbar?.

  2. Avatar von Gerhard MersmannGerhard Mersmann

    Beobachtet man die Korrelation vom Verhalten der Eliten und dem Aufwärts- oder Abwärtstrend der jeweiligen Länder, dann wird deutlich, dass das Verhalten der Eliten mehr über Zustand und zu erwartende Prognose eines Landes aussagt als vieles andere. Insofern fahren wir bereits mit Notbeleuchtung.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.