Sie kommen von überall her. Aus den USA. Aus Boston, New York, Philadelphia, Washington oder Miami. Sie sind gemachte Männer. Bauunternehmer, Gewerkschaftsbosse, Anwälte oder Gastronomen. Ihre Väter und Mütter, oder noch eine, zwei oder drei Generationen früher waren als arme Neapolitaner in das Land der Verheißung ausgewandert. Und für die, die hierher zurückkehren, ist die Illusion Wirklichkeit geworden. Die Gescheiterten kehren nie zurück, nur die Erfolgreichen. Und die kommen, mit ihren Frauen, und zumeist Kindern, die heute erwachsen sind, um ihnen und den Zuhausegebliebenen zugleich zu zeigen, wie schön die Heimat ist, von der ihnen die große Erzählung berichtete, und wie weit sie selbst es gebracht haben.
Sie steigen ab in den guten Hotels, an der Amalifiküste, in Sorrent, am Golf von Neapel oder auf Capri. Es sind Residenzen, klassisch, im Stile alter italienischer Mondänität. Dort halten sie Hof, und wechseln in ihren lautstark geführten Konversationen mehrmals im Satz die Sprache. Stolz packen sie einige Sätze aus, wie sie sonst nur die Neapolitaner artikulieren, im leichten Zisch- und Schlurfton, ein bißchen heiser und hell. Und dann donnern Sequenzen in die Suada, aus dem rauchigen Boston, dem stürmischen New York oder dem heiß-feuchten Miami.
Die Kellnerinnen, die sie bedienen, sind schnell gefangen von dem Charme, den Erfolg und Macht zu verströmen in der Lage ist. Sie freuen sich wie kleine Kinder über ein dahin gemaunztes Good Job dieser fetten amerikanischen Katzen. Sie schieben üppige, ölige Trinkgelder mit ihren besiegelten Fingern über den Tisch und tätscheln den Schönen gönnerhaft die Wangen. Diese lassen das alles geschehen, vielleicht, weil sie auch den Traum der Ferne träumen, vielleicht auch nur, weil sie gut rechnen können und der Preis für soviel Großzügigkeit gering ist.
Die Neapolitaner selbst, Bewohner einer 1,5 Millionenmetropole am Fuße des Vesuvs, bedürfen keiner Bestätigung von außen, um eine weltläufige Selbstsicherheit auszustrahlen. Sie wirken durch sich selbst. Wohl wissend, dass hier vieles zusammenläuft, was an Informellem der transatlantischen Beziehungen Bestand hat. Hier, wo die vulkanische Katastrophe jederzeit aus einer prosperierenden Agglomeration in malerischem Ambiente ein Inferno machen kann, ist das Risiko eine Tagesroutine. Die Alpha-Tiere neapolitanischer Art gehen stets aufs Ganze, egal, wie die Nachwelt darüber denken mag. Dabei strahlen sie eine Ruhe aus, die nur als solche vor dem Feuerball begriffen werden kann.
Sie halten sich zurück, wenn die Americanos, wie man sie hier nennt und wie sie in Ray Gelatos gleichnamigem Lied so treffend beschrieben werden, Whiskey Soda Rock´n Roll, wenn diese Americanos hier so auftreten, als wäre es ihr Land. Und das ist die Lehre, mit der diejenigen, die so nichts ahnend hierher zurück kommen, dort drüben groß geworden sind. Das Warten und Kalkulieren, das Konturieren des Vorteils, die formal zivilisierte Art und der tödliche Stoß, ausgeführt mit kalter Hand, zum treffenden Moment. Zeige keine Regung, wenn deine Ehre verletzt wird, behalte dein eigenes Interesse im Auge und trete dann in Aktion, wenn niemand damit rechnet. Da schimmern mehr als zweitausend Jahre Erfahrung hindurch, das reicht weit zurück bis ins Alte Rom.
Während die blondierten Frauen der Americanos mit ihren IPhones in der Hand den ersten Martini schlürfen, leger und freizügig, overseas chatten, und zwar so laut, dass es alle hören, werden auch sie bedient von jungen Frauen, züchtig gekleidet, mit Schürze und gestärkter Bluse. Und sie kredenzen den nächsten Drink, freundlich, ergeben, mit einem Blick aus Eis und Feuer.
Es ist ein Bündnis, das älter und erfolgreicher nicht sein könnte. Stärker als formale Akte und Verträge. Unmäßig cool und effektiv. Da kooperiert eine kulturelle Weltmacht, mit einem inszenierten, amerikanischen Klischee auf der Bühne, und unscheinbar in der Cafeteria sitzenden Schachspielern, in dunklem Zwirn und getönter Brille. Eine perfekte Symbiose. Ein erfolgreiches Team.
