Randvolle Zorndepots, laues Appeasement

Die Diskussion um die Verunglimpfung des Propheten Mohammed wir auch heute, nach den Freitagsgebeten, neuen Zündstoff bekommen. Dort, in den Moscheen der islamischen Welt werden die Imame die Spottfilme und Karikaturen aus dem Westen anprangern und als Beleidigung des Islam auf das Schärfste tadeln. In ihrer Aussage werden sie Recht haben, denn stellt man sich vor, wie die Persiflage eines Heiligtums auf einen Gläubigen wirkt, dann wird deutlich, wie weh das tun kann.

In der westlichen Welt, die nach einem schwarzen Mittelalter mit einer unglaublichen Inquisition so langsam, im Laufe von 200 Jahren in die Helligkeit der Aufklärung vordrang, ist, zumindest unterbewusst, bekannt, wie sich die Unantastbarkeit eines Gottes auf das Wohlbefinden des gemeinen Volkes auswirken kann: in der Regel grausam und ungerecht. Deshalb haben die mit der Aufklärung einhergehenden politischen Kämpfe die Rechte der Meinungs- und Pressefreiheit erwirkt. Letztere sind das Herzstück der Demokratie.

In der islamischen Welt fand in den letzten zwei Jahren etwas statt, das im Westen so gerne Arabellion genannt wurde. Dabei handelte es sich um Revolten gegen autokratische Herrscher, die grausam und korrupt waren und denen es nicht daran lag, das Volk an Wohlstand und Rechten zu beteiligen. Ihre Herrschaft wurde gesichert durch großzügige Zuwendungen aus dem Westen, bestehend aus Geld und Waffen, um die Gefahren der Unkalkulierbarkeit zu vermeiden. Als einige dieser Völker ihre Tyrannen vom Hof jagten, hatte der Westen bereits ein Problem. Und einigen Staaten, wie z.B. der Bundesrepublik, gelang es kaum, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

Die neuen Regierungen in Ländern wie Ägypten und Tunesien übernahmen nicht nur ein schweres Erbe, denn die sozialen Widersprüche waren groß, die Infrastruktur schlecht und die Verwaltungen korrupt, nein, sie hatten und haben ein großes Problem im Aufbau und Entwickeln einer Wirtschaft, von der die Menschen vernünftig leben können. Die kurze, aber heftige nach-tyrannische Zeit hat den neuen Regierungen deutlich gemacht, wie schwer der Weg aus der Rückständigkeit sein wird.

In einem solchen Moment ist es nicht verwunderlich, dass gefühlte wie tatsächliche Provokationen von außen dazu führen, das gesamte Frustrationspotenzial abzurufen und ein klassisches Aktionsmuster zu aktivieren. Die bereits gezeigte und die sich ausbreitende Gewalt gegen diplomatische Institutionen des Westens zeigen Wirkung. Nicht nur, dass man auch in Deutschland mächtig erschrickt bei einer Erfahrung, die für die USA zur Normalität gehören, sondern man ist auch sofort auf dem Rückzug, was die eigene Position betrifft. Man könnte sagen, dass die demokratischen Argumentationsmuster wie ein Kartenhaus zusammenfallen. Man distanziert sich vom Anlass der Provokation und damit von Presse- und Meinungsfreiheit und rät zur Mäßigung.

Suchte man nach einem Indiz für die Schwäche des Westens im positiven Sinne, dann hätte man es deutlicher nicht finden können. Es ist sogar die Rede davon, Gesetze zu verabschieden, die die Beleidigung religiöser Gefühle unter Strafe stellen. Das ist, mit Verlaub, eine lausige Form des Appeasement und es zeigt, wie sehr der Aufklärungsgedanke zu einer formalen Rhetorik verkommen ist. Zum Respekt gegenüber anderen, vor allem der islamischen Welt, gehört eine eigene Kontur, auf die man verweist. Will der Westen nicht demonstrieren, dass er einzuschüchtern ist, so müsste er offensiv argumentieren, warum er es nicht hinnehmen kann, dass das Recht von Individuen nicht identisch ist mit der offiziellen Regierungsmeinung. Und dass deutlich wird, wie schwer man sich tut, das selbst verursachte Elend zu beseitigen. Und dass es gar nicht geht, die eigene Frustration und den daraus entstehenden Zorn auf Phänomene eines zivilisierten Rechts zu projizieren. Nur wer gegen den Konflikt ist, ihn aber nicht fürchtet, hat eine berechtigte Erwartung auf den Respekt der Gegenseite.