Der Terminus Kunst im Öffentlichen Raum steht nicht selten für das diffuse Ansinnen, mittels der Kunst Sinnbezüge herzustellen zwischen denen, die sich in einer bestimmten Topographie bewegen und der Topographie als Subjekt selbst. Das klingt manchmal etwas widersinnig, weist jedoch einen Gedanken auf, der Sinn vermittelt. Die Individuen einer sozialen Gemeinschaft und die Geographie, in der sie leben, haben zwar, für den Moment, eine eindeutige Kausalität, historisch betrachtet tritt allerdings etwas ein, dass diese Kausalität ins Gegenteil verkehrt. So machen selbstverständlich die Menschen eine Stadt, aber die Hülle ihrer Aktivitäten, die Straßen, Gebäude, Plätze und Parks überleben diejenigen, die sie konzipiert und bezahlt haben und nehmen somit ein Eigenleben an, das die Nachkommen regelrecht mit der Vergangenheit konfrontiert. Sie wachsen in der Topographie auf, die andere geformt haben und werden in diesem Exterieur sozialisiert. Kunst im Öffentlichen Raum kann auch die Aufgabe haben, die historische Dimension einer sozialen Formation transparent zu machen und nicht nur den Ort der Kommunikation zu erklären, sondern auch so etwas wie eine Sinn gebende historische Kollektivität zu vermitteln.
Eine sehr gelungene und extrem beunruhigende Arbeit ist Bernd Altensteins Skulptur mit dem Titel Das Ende. Sie steht an der Bischofsnadel in den Wallanlagen in Bremen und zeigt einen athletischen Menschen, der vorwärts stürmt und wie an einer unsichtbaren Mauer zerbricht, wobei gleichzeitig ein Totenschädel und die oberen Skelettpartien von einem noch muskulösen, nach vorne strebenden Rumpf abfallen. Als Datum der Skulpturerstellung wird das Jahr 1978 genannt und es wird deutlich, welche historische Zäsur in der Stadtgeschichte damit gemeint ist. Es war das plötzliche Ende der Werftindustrie.
Letztere hatte nach dem Krieg dafür gesorgt, aus der alten Hansestadt eine neue Boomtown zu machen mit einem zahlenmäßig großen Proletariat. Die Werftindustrie kollabierte aufgrund der internationalen Konkurrenz in wenigen Jahren und hinterließ ein Gemeinwesen, das Jahrzehnte den Mangel zu verwalten hatte und eine Generation von Arbeitern beherbergte, die in ihrem Leben nie wieder eine Arbeit finden sollten. Bremen, das sich erst jetzt, nach mehr als dreißig Jahren dahingehend zu erholen beginnt, als dass man davon reden kann, einen Strukturwandel der lokalen Ökonomie bewerkstelligt zu haben, zeichnet sich dadurch aus, dass das historische Bewusstsein der Bürgerschaft eine gewisse, qualitative Ausprägung besitzt.
Ähnlich wie das herausgerissene Herz im Zentrum von Rotterdam ist es hier mit bescheideneren, aber nicht minder wirksamen Mitteln gelungen, im öffentlichen Raum einen Hinweis zu geben auf die Relativität des Wohlstandes und der Vitalität und somit einen Sinn zu vermitteln, der weit über eine Einladung der freien Assoziation hinausgeht. Das Ende von Bernd Altenstein geht weit über das monothematische eines Gedenkanlasses hinaus und fordert den Flaneur, der sich in diesen Wallanlagen seinen Assoziationen hingibt, über die Interdependenz von individuellem Glück und dem Zustand des Gemeinwesens nachzudenken. Das ist mehr als gelungen und erscheint umso schroffer, da die Skulptur mit dem Verweis ausgestattet ist, der Anlass sei unbekannt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!
