Das Unspektakuläre der Perfektion

John Scofield. A Moment´s Peace

Der Gitarrist John Scofield ist Referenz an sich. Ihn, der nunmehr kurz vor seinem sechzigsten Geburtstag steht, damit zu schmücken, mit welchen Größen des Jazz er bereits in jungen Jahren gespielt hat, hieße, seine eigenen Verdienste in den Schatten zu stellen. Ein Musiker, der technisch seinen Stil entwickelt hat und diesen exzellent beherrscht und der den Zugang zu auch bekannten Kompositionen so interpretiert, dass seine eigene Note das Stück erschließt, ohne dessen Kern zu zerstören, zählt zweifelsohne zu den Großen seines Faches. Mit seiner neuen CD, A Moment´s Peace, hat er sich das herausgenommen, was ihm zusteht: Er hat Bilanz gezogen in einem Moment der Besinnung und hat dieses der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Auf insgesamt 12 Stücken passieren verschiedene Phasen der musikalischen Entwicklung Scofields Revue, ohne das Unfertige eines Entstehungsprozesses noch zu beinhalten. Technisch sauber und brillant geht er durch die Welten, ohne die Dynamik des Fehlerhaften noch aushalten zu müssen. In den ersten drei Stücken, Simply Put, I Will und Lawns greift Scofield auf seine frühe Phase der Jazzinterpretationen zurück, nur glatter und mit weniger Emphase, als er das historisch gemacht hat. Mit Throw It Away dokumentiert er den Bruch mit seiner eigenen, konventionellen Interpretation und die Genese seines eigenen Stils, der getragen wird durch modal-melodiöse Phrasierungen, die das Kontemplative in den Vordergrund stellen. I Want To Talk About You wirkt demzufolge wie die Stabilisierung dieser neu gewonnenen Dimension, aus der Scofield sich nicht mehr herausbewegt hat. Dieses kann man kritisieren, aber es ist immer wieder die gleiche Paradoxie: Wird der Musiker honoriert für seine Offenheit allem Neuen gegenüber oder schränkt sich seine Anhängerschaft auf das Gewohnte ein und straft ihn ab, wenn er gewillt ist, neue Dimensionen zu erschließen?

Auf A Moment´s Peace bleibt John Scofield bei seinen eigenen Entscheidungen. Mit Gee Baby Ain´t Good To You, You Don´t Know What Love Is und Porgy I Loves You greift er auf in Stein gemeißelte Klassiker zurück, die er in einer sehr inspirierenden, aber in keiner revolutionären Weise interpretiert. Wobei der Blues des erstgenannten Stückes kristalliner nicht zum Ausdruck kommen kann. Ob allerdings dadurch nicht die Leidensgeschichte des Blues verloren geht, sei dahingestellt.

A Moment´s Peace ist eine Referenz an die eigene Entwicklungsgeschichte. Die Interpretationen sind und bleiben brillant, sie verdeutlichen die Sprünge von der Akklimatisierung an den Jazz, den Weg zu den modalen Interpretationslinien und die nun wohl sich abzeichnende Affinität zu den reinen Formen des Genres. Das ist das Werk meisterlichen Könnens, aber keine revolutionäre, innovative Intervention. Wer diese erwartet, wird enttäuscht, wer John Scofield, so wie er ihn kennen gelernt hat, im Stadium der Reife genießen möchte, der kann das ausgiebig tun. Ein exzellenter Scofield ohne Verweise auf die Zukunft!