Die schwäbische Hausfrau

Was ist das für ein Staat, so kann man sich fragen, der in finanzpolitischen Krisen eine Vorstellung volkswirtschaftlicher Rationalität bemüht, die zwar die Kuriosität eines Landstriches beschreibt, aber weder die Marktwirtschaft beflügelt noch dem Auftrag des Staates entspricht. Tugenden, wie sie die schwäbische Hausfrau, von der geredet wird, mitbringt, wie Sparsamkeit, Disziplin, Genügsamkeit und langen Atem, die braucht ein Staat zuweilen auch. Aber ein Staat, dessen Wirtschaft zu den Exportgiganten zählt und sich in einem globalen Konkurrenzkampf befindet, ist grundsätzlich mehr als schlecht beraten, wenn er sich als Verhaltensparadigma das einer konservativen Privatperson wählt.

Bei der einer Geisterbahnfahrt gleichenden Debatte um die Staatsverschuldung, die die Staatsausgaben als absolute Summe darstellen, ohne die staatlichen Forderungen gegen zurechnen oder in Relation zur nationalen Wertschöpfung zu setzen, wird man den Verdacht nicht los, dass suizidale Triebe im Spiel sind. Abgesehen von der durchaus demagogischen Absicht, die Spekulationsvabanques der Banken, die durch staatliche Mittel gedeckt wurden, in möglichst schnelle Vergessenheit geraten zu lassen, um von den eigenen Beteiligung an der Krise abzulenken, ist auch auf diesem Feld die Erklärung längst nicht erfolgt.

Die Popularität des Verhaltens der schwäbischen Hausfrau hat dazu beigetragen, dass in diesem Land gespart wird wie in keinem anderen und das Thema der Investition verwaist ist. Deutsche Privathaushalte legen, so sie dazu in der Lage sind, ihr Geld lieber auf die hohe Kante, als dass sie in wie immer geratene Unternehmungen investierten. Nicht genug mit dieser Eigenart, stimuliert der Staat seine Bürgerinnen und Bürger, an diesem Verhalten festzuhalten. Mit hohen staatlichen Subventionen werden Sparstimuli geschaffen, die dem Unternehmertum wie dem Markt systematisch das Geld entziehen. Das führt wiederum zu der Situation, die vielen Banken vorgeworfen wird: sie sitzen auf Geldmengen, die investiert werden wollen. Der Druck der Sparer auf zu erwartende Renditen führt seinerseits zu Investitionen, die mehr als riskant sind und so dreht sich eine Schraube, die in der Illusion, die mit der schwäbischen Hausfrau begann, ihren Impuls nahm.

Der Staat selbst sollte die Aufgabe haben, sich um Felder wie Infrastruktur und Bildung zu kümmern. Er sollte sich dabei verhalten wie ein Unternehmer und nicht wie eine Privatperson. Selbst bei einer historischen Betrachtung stellt sich sehr schnell heraus, dass öffentliche Investitionen immer rentabler sind als ein fiktiv zu erwartender Kapitalzins. Hätte man die Summen, die letztendlich aufgewendet wurden, um das aus dem Sparwahn einer gesamten Nation erwachsene Debakel aufzufangen, um die infrastrukturellen Defizite z.B. bei der Bahn zu beseitigen und flächendeckende Ganztagsschulen, die baulich wie vor allem pädagogisch den Namen verdient hätten einzurichten, dann stünden die Zukunftsperspektiven dieses Landes dramatisch anders. Aber, wie so oft, ist der Konjunktiv die Ausdrucksform für die Regel der verpassten Chance.