The World is in an Uproar…

Es ist kein Geheimnis mehr, dass ein übertriebener Moralismus einen sehr dogmatischen Zug hat. Die Steigerung des eigenen Anspruches zu einer alles andere überstrahlenden Größe hat etwas Autoritäres und ist weit von dem entfernt, was als aufklärerische Toleranz und demokratische Grundüberzeugung gelten könnte. Wir erleben in Deutschland gegenwärtig einen Radikalismus moralistischer Prägung, der, sollte er ein Vorbote weiterer politischer Entwicklungen sein, ein Beben nach sich ziehen könnte, das ungeheure Ausmaße hat. Was als gut gemeinte humanitäre Einlassung zuweilen daher kommt, entpuppt sich in der Regel als demagogisches Ränkespiel, als zynische Entgleisung und als diktatorischer Impuls.

Die Reaktionen auf die Liquidierung des Massenmörders Osama Bin Laden waren schon ein Hinweis, der zu denken geben sollte. Hat man sein Gedächtnis nicht bereits an der Garderobe zum Beinhaus der freien Meinung abgegeben, dann sollte man sich vergegenwärtigen, dass just die Figuren, die am heftigsten gegen die Rechtlosigkeit des amerikanischen Vorgehens wetterten, keine moralische Bedenken kannten, als ihr erster Außenminister vehement für das Bombardement der Zivilbevölkerung von Belgrad eintrat, ohne dass nach Völkerrecht von einem Krieg gesprochen werden konnte. Und eben diese Figuren sitzen einmal im Jahr in der ersten Reihe, wenn die Stauffenberg-Festspiele eröffnet werden, bei denen dicke Krokodilstränen geweint werden über ein missglücktes Attentat von weltgeschichtlichem Format.

Hinzu kommen die Volksgerichtshöfe auf der Payroll der Medien. Kaum hatte der einstige Playboy der Nation, Gunther Sachs, seinem an der Schwelle der Alzheimer-Erkrankung stehenden Leben ein markiges Ende mit der Verwendung eines Flobert-Stutzens gesetzt, da wurde nicht nur von einem kollektiven Schock der deutschen Bevölkerung hinsichtlich dieser pathologisch möglichen Altersperspektive geschrieben, sondern ein neuer Schauprozess unter der Regie des Quotenjunkies Plasberg angekündigt, indem Gunther Sachs selbst auf der Anklagebank sitzt. Gegenstand der Verhandlung ist die Frage, ob der willentlich durch eine Kugel Hingeschiedene im Recht gewesen sei, dieses zu tun. Angesichts so mancher Vorläuferprozesse, die gefährlich mit der Aura daherkommen, bei den Moskauer Prozessen sei es weniger spektakulär zugegangen, sollte man aus Selbstschutz lieber nicht einschalten.

Nichtsdestotrotz werden wir den Eindruck nicht los, dass wir durch den kollektiven Verlust an Bildung und Haltung auf einen Punkt zustreben, der die Welt einer gefestigten Demokratie in der Lage ist, aus den Angeln zu heben. Das Recht auf Selbstverteidigung wie das Recht der individuellen Entscheidung über das eigene Schicksal wird systematisch unterminiert, unabhängig davon, ob andere davon überhaupt betroffen sind. Der Grad der Bevormundung beginnt bei Speisevorschriften, geht über großartig geplante steuerliche Diskriminierungen, strafrechtliche Verfolgung bis zu Denk- und Sprechverboten. Wer da noch glaubt, das habe etwas mit Demokratie zu tun, der hat Wesentliches versäumt zu registrieren.