Die Literatur liefert uns unzählige Beispiele über die Bedeutung des Humors im Überlebenskampf politischer Auseinandersetzungen. Von der Inquisition bis zur Aufklärung kristallisierte sich die Stimulation zum Lachen als eines der letzten zur Verfügung stehenden Mittel heraus, die dem Widerstand gegen Unterdrückung, Folter und Phantasielosigkeit noch blieben. Der Schlüssel für die zersetzende Kraft des Humors mag darin liegen, dass die formale logische Konsistenz fehlt, oder, um es verständlicher auszudrücken, wer dem witzigen Anwurf voller Ernst antwortet, der hat sich zumeist schon desavouiert!
Eine der beindruckendsten Rekonstruktionen der Auseinandersetzung zwischen dem klerikalen Obskuratismus des Mittelalters und der Aufklärung ist sicherlich dem Semiotiker und späten Romancier Umberto Eco gelungen, der in der Schlüsselszene in der Bibliothek des italienischen Klosters den Hardliner Jorge von Burgos dem der Aufklärung aufgeschlossenen William von Baskerville gegenüberstellt. Ihr vierzig Seiten zählender Dialog fasst vieles zusammen, was zum Thema revolutionärer Zersetzung repressiver Herrschaftsideologien durch den Humor und das Lachen ausmachen. Trotz der bestechenden Dokumente des Aufklärers reißt der Demagoge das unschätzbare kulturelle Erbe in Form der Bibliothek mit sich in die Flammen, denn sein Credo ist die Macht der Kirche oder das Nichts.
Dessen sollten sich alle, die sich der letzten, fundamentalen Kriegserklärung gegen bestehende Herrschaftsverhältnisse verschreiben, bewusst sein, wenn sie zum Humor als letzter Waffe greifen. Denn die polemische Phrasierung von Herrschaft bekommt den Opponenten in der Regel nicht. Weil, so könnte man sagen, die Macht, so vielseitig sie sich auch im Leben präsentieren mag, die Macht versteht auf sich selbst bezogen keinen Spaß. So desolat, verzerrt und überzogen sie auch oft daher kommt, ihre Präsenz verlangt Respekt, denn ohne diesen ist die Aura der Macht bereits entschwunden. Und ohne Aura ist sie nackt, und dann wird es schwierig, ihre Übergröße auch noch zu begründen.
Nicht umsonst sind Legendenbildungen und Mysterien so wichtig, um das Unberechenbare und Mystische der Mächtigen zu begründen. Daten, Zahlen und Fakten kann man dagegen setzen, das halten die Mächtigen sehr wohl aus, aber nicht den Humor, der beraubt sie ihres Schutzes.
Wer also glaubt, durch den Einsatz des Humors gegen die Herrschaft ein lustiges Spielchen zu treiben, das von allen Beteiligten goutiert wird, der begeht einen grausamen Fehler. Es ist das gefährlichste Instrument auch für diejenigen, die diese Waffe führen. Das wussten die Meister dieses Ganges der Kritik sehr gut. Sie entschieden sich trotz aller Konsequenzen für den tödlichen Gang. Und wie sollte man angesichts der Fragestellung ohne Heinrich Heine auskommen können, dem die Geheimnisse allzu bekannt waren? „Und wenn das Herz im Leibe ist zerrissen, zerrissen und zerschnitten, und zerstochen – dann bleibt uns doch das schöne gelle Lachen.“
