Von Sigmund Freud stammt der Terminus des Prothesengottes. Was er damit bezeichnen wollte und treffend bezeichnete war die Fähigkeit des Menschen, seinen Willen mit Hilfe von Instrumenten durchzusetzen. Zunächst mit einfachen Waffen und Werkzeugen bis hin zu immer höher entwickelten Instrumenten und Mitteln. Indem der Mensch sich diese Instrumente oder Prothesen zunutze machte, so Freud, desto mehr wachse ihm Macht zu, desto mehr unterliege er aber auch der Mystifikation, selbst die Quelle dieser Macht zu sein. Was Freud in dieser Dimension erahnte oder befürchtete, war ein daraus resultierendes irrationales Verhältnis der Menschen zu den sie anscheinend zu allem befähigenden Instrumenten.
Erkenntnistheoretisch später, aber folgerichtig standen dann die kritischen Philosophen Horkheimer und Adorno vor einem Schlüssel zur Deutung der größten Katastrophe des 20. Jahrhunderts, dem Faschismus mit seiner Vernichtungs- und Herrschaftsideologie. In den von ihnen verfassten Schriften Zur Kritik der instrumentellen Vernunft und der Dialektik der Aufklärung wiesen sie auf den Zusammenhang von Erkenntnis und Ermächtigung hin und machten deutlich, wie die instrumentelle Erhöhung den Menschen zu desaströsen Fieberphantasien führen kann.
Wer geglaubt hatte, mit den weltgeschichtlich unter großen Schmerzen errungenen Erkenntnissen sei der unkritische Umgang mit Werkzeugen und Maschinen zu ende gewesen und eine demütigere Beurteilung der menschlichen Existenz und ihrer Bedingungen eingezogen, der sollte bitter enttäuscht werden. Obwohl man ostentativ dem größten Exzess dieses Irrglaubens abschwor, führte die weitere Entwicklung der Gesellschaften zu einem Zustand, der den freudschen Terminus des Prothesengottes nunmehr wie eine amüsante Anekdote der Weltgeschichte anmuten lässt.
Die technische Entwicklung erlebte eine Revolutionierung nach der anderen, die Halbwertzeiten des technischen Wissens wurden immer kürzer und die Reflexion über das technisch Machbare und menschlich-gesellschaftlich Wünschenswerte wurde fast vollkommen verdrängt. Wer ein Einhalten, Betrachten und Bewerten in Form eines gesellschaftlichen Diskurses anmahnte, wurde der Rückständigkeit und Träumerei bezichtigt und die einzige Philosophie, die den jugendlichen Sturm und Drang noch befriedigte, war die ungehemmte Beschleunigung.
Am Ende dieser Entwicklung stehen wir heute Protagonisten gegenüber, die ihren Nihilismus hinter positivistischen Weltbildern verstecken, die runenhaft auf Sinnzusammenhänge verweisen, die vermeintlich der Chaostheorie entstammen könnten. Dahinter verbirgt sich schlichtweg die Unfähigkeit, soziale und politische Ziele jenseits ihrer Instrumentierung formulieren zu können. Da wundert es dann kaum noch, dass Ereignisse wie in Fukushima nur noch blankes Entsetzen auslösen. Eine Erklärung für den Wahn der Instrumentalisierung der Welt gelingt zumindest ihnen nicht mehr.
