Eine eigenartige, so gar nicht mit den Kassandrarufen der offiziellen Bulletins korrespondierende Entwicklung verschattet die Zukunft der Republik. Der hysterische Verweis auf die Demographie, deren Entwicklung uns auch die Eliten nähme, derer eine hoch komplexe Zivilisation bedarf, scheint sich als ein Manöver zu entpuppen, das schon im alten Rom von den numerisch abnehmenden Patrizierfamilien befolgt wurde. Der vermeintlich ausbleibende Nachwuchs bezog sich nur auf die Abnahme des eigenen Blutes und damit der Furcht, das Spiel der Macht nicht mehr vollständig alleine beherrschen zu können. Aber schon in der Geschichte Roms zeigte sich, dass es auch anders ging und dass eine republikanische Definition des Staatswesens sich nicht reduzieren lässt auf genetische Linien der Machtausübung.
In unserer Republik, die gegenwärtig noch mit ganz anderen Dingen zu kämpfen hat, die eine demokratische Erosion zur Folge haben könnten, sehen wir eben diese alt eingesessene Elite, wie sie dabei ist, ihren numerisch abnehmenden Nachwuchs von den allgemeinen Höfen einer gesellschaftlichen Sozialisierung zu separieren. Closed Shop-Kindergärten, Privatschulen, exklusive Internate und sozial codifizierte Sportvereine sind zu Foren einer Nachwuchsförderung geworden, die das allgemeine Volk gezielt ausschließen und die dort betreuten Zielgruppen von den Erfahrungswerten des Restes der Gesellschaft isolieren. Die Zeiten, dass man die Schulbänke zusammen mit Bergarbeiter- und Fabrikbesitzerkindern drückte, zusammen Fußball spielte und sich hinterher im Leben noch treffen konnte und auf eine gemeinsame Sprache zurückgreifen konnte, sind für die hermetisch abgeschirmten Bildungseliten Vergangenheit. Sie werden, wenn sie einmal in Macht und Position sein werden, nicht nur nicht mehr begreifen, welche Nöte und Sorgen diejenigen haben, die das harte Brot der Armut essen mussten, sondern sie werden auch nicht mehr in der Lage sein, mit diesen Menschen zu kommunizieren. Insofern sind die deutsch-nationalen Strategien der Elitenbildung nicht nur egoistisch, sondern auch beschränkt und wenig weitsichtig.
Auf der dunklen Seite des Mondes, aus den Mietskasernen, Fabrikhallen und Billiglohnsektoren heraus haben sich hingegen mittlerweile zwei Generationen von Migrantenkindern durchaus zu einem ansehnlichen Teil aufgrund ihrer Qualifikation und sozialen Erfahrung zu dem entwickelt, was man als eingelöstes Anforderungsprofil einer Leistungselite bezeichnen könnte. Ihre Eltern kam noch als einfache Arbeiter aus Anatolien, sie selbst wuchsen in den so falsch bezeichneten prekären Quartieren der großen Städte auf, erkämpften sich Zugang zu Bildung gegen Vorurteile der Deutschen und falsch verstandene Tradition der eigenen Herkunft, qualifizierten sich in hohem Maße, sprechen mehreer Sprachen und verfügen in den meisten Fällen über soziale Empathie. Dennoch haben sie keine Chance, ihre ungezählten Bewerbungen scheitern an einem Ü zuviel im Namen, ihrem orientalischen Aussehen oder am zu starken Bartwuchs. Viele von ihnen, zu viele, sind bereits gegangen, nach Izmir oder Istanbul oder sonst wo hin. Sie haben dort, wo sie aufwuchsen und sich erfolgreich durchsetzen konnten, in den wichtigen Positionen in Wirtschaft und Gesellschaft keine Chance. Nicht dafür zu kämpfen, dass sie sie doch noch bekommen, wäre unrepublikanisch!

Hallo Dr. Gerhard Mersmann,
Den Nagel auf den Kopf getroffen, jetzt schauen Sie sich mal mein Namen an „Kürücü“ 🙂 Übrigens nochmal eine großen Dank und Anerkennung dafür, dass Sie ein Ohr für uns am vergangen Dienstagabend hatten.
Das war für mich Persönlich ein motivierender Abend.
Viele Grüße,
Ercan Kürücü