Damals, kurz nach der Implosion der Deutschen Demokratischen Republik, da ging es gar nicht anders. Nachdem der totalitäre Machtanspruch der SED den sprichwörtlichen Bach heruntergegangen war, fehlten in Politik wie Verwaltung Personal. Sowohl für die politischen Ämter wie für die Funktionen in der Bürokratie mussten Bürgerinnen und Bürger gefunden werden, die nicht durch die absolute Parteiherrschaft kontaminiert waren. Die gab es reichlich, denn das Volk ist immer numerisch einer kleinen Herrschaftsclique überlegen. Nur qualifiziert waren sie nicht in Bezug auf ihre neue Verwendung. So kam es, dass plötzlich Chemielehrer Verwaltungschefs wurden, Maßschneiderinnen das Bürgermeisteramt bekleideten oder Vermessungsingenieure zu Landräten wurden. Im Nachhinein betrachtet hat es der Politik sehr gut getan, eine Frischezufuhr aus Vertretern bürgerlicher Berufe zu erhalten. Die Parteien profitierten davon genauso wie die Öffentliche Verwaltung.
Heute, gut zwanzig Jahre später, herrschen wiederum Personalnöte in Politik und Verwaltung. Auf der einen Seite haben die beiden Volksparteien, vor allem die SPD, einen dramatischen Schrumpfungsprozess hinter sich. Bei gleichzeitigem Absinken der Mitgliederzahlen ist die Notwendigkeit, politisches Personal für die Wahrnehmung von Funktionen im politischen System wie im Verwaltungsapparat zu stellen, nahezu gleich geblieben. Die Folge ist eine geringere Auswahl in den eigenen Reihen und damit eine notwendige Absenkung der Qualität, was wiederum zu einem Attraktivitätsverlust in der Bevölkerung führt. Analog sieht es bei den derzeitigen Gewinnern aus, den Grünen. Auch sie haben beträchtliche Probleme bei der Qualität ihres politischen Personals, auch sie sind strategisch überdehnt, aber genau aus dem entgegenstehenden Grund. Ihre immensen Stimmenzuwächse korrespondieren nicht mit der Dimension der vorhandenen Parteibasis.
Die gegenwärtigen starken Tendenzen in der Bevölkerung, selbst die Expertise bei notwendigen politischen Entscheidungen erwerben zu wollen, sind unter anderem auch dem Misstrauen gegenüber der Qualität des politischen Personals im Allgemeinen geschuldet. Die Klage seitens der Parteien, man werde von einer unkalkulierbaren Masse, enthusiasmiert von aktuellen Ereignissen, getrieben, ist nicht in geringem Maße der Unfähigkeit der Klagenden selbst zuzuschreiben, den Eindruck von Entscheidungsstärke und Kompetenz vermitteln zu können. Und der Kontrollverlust in den Parteizentralen wird zumeist dadurch eindrucksvoll dokumentiert, als dass man sich jedem Lüftchen opportunistisch beugt.
Warum, so könnte man fragen, versuchte man nicht, wie damals, im Jahre 1990 im Osten, die Demokratie und damit auch die Parteien zu stärken, indem man diese für Kräfte von außen öffnete. Dem entgegen stehen kann eigentlich nur das Kalkül derer, bei einer größeren Konkurrenz innerhalb der eigenen Partei nicht mehr zum Zuge kommen zu können. Das mag so sein, aber wenn die Parteien nicht weiter auf dem Weg bleiben wollen, ein von allen Beteiligten verachtetes Karrierevehikel zu sein, was ihr Ansehen im Volk schon längst ramponiert hat, dann sollten sie schleunigst umdenken. Das gilt für die Volksparteien ebenso wie für die Gewinner der Stunde, die schleunigst ihren Moralismus aufgeben müssen, wollen sie nicht im Dogmatismus enden.

„Warum, so könnte man fragen, versuchte man nicht, wie damals, im Jahre 1990 im Osten, die Demokratie und damit auch die Parteien zu stärken, indem man diese für Kräfte von außen öffnete.“
Weil die Machtstrukturen nicht so funktionieren. Etablierten lassen nie Außenseiter herein, es sei denn, sie übernehmen ohne wenn und aber den Verhaltenskanon der Etablierten an, sonst bleibt die Tür für immer zu. Warum rufen die Parteien immer zur Geschlossenheit und schließen Querdenkender aus? Weil die Gefahr besteht, eigene Macht zu verlieren.