Johnny Winter Rockpalast: Blues Rock Legends Vol. 3
Als in den frühen Morgenstunden des 22. April 1979 in der Essener Grugahalle der damals 35jährige Texaner die Bühne betrat, gehörte er in den USA längst zu einer nicht ausblendbaren Bluesgröße. Trotz seines Auftrittes in Woodstock war er bis dahin vielen Europäern unbekannt, weil sein Auftritt aufgrund eines Streits seines Managers mit den Produzenten kurzerhand wieder herausgeschnitten wurde. Aber der unter einer schweren Pigmenterkrankung leidende und als Albino bezeichnete Gitarrist hatte längst Alben mit Muddy Waters aufgenommen und war zum Lonestar des texanischen Blues geworden.
Mit dem schlurfenden, jedes Wort verschmierenden und dennoch schnell dahin gerasselten Akzent des Texaners betrat er die Bühne und gab mit Hideaway einen kurzen Einblick in seine atemberaubende Art, mit texanischem Drive den Blues immer entlang den Ufern von Rock und Rhythm & Blues entlang zu treiben, ohne aufkreuzende Boogies auszulassen. Was sofort beeindruckte, war seine Virtuosität, die ihm später gar den Namen Guitar Slinger einbrachte, aber nie gekünstelt oder deplaziert wirkte. Schnell, virtuos und trotzdem lässig, voll aus dem Bauch mit einem Groove, der an einen leichten Trab erinnert, weckte er den nach mehreren Gruppen schon erschöpft wirkenden Saal wieder auf. Bei dem alten Standard Messin With The Kid setzte er dann seine hell-raue Stimme mit ein, die so gar nicht in die Klischees des Genres passte, aber zu den Steppen, aus denen diese Art von Blues kam. Und spätestens bei Mississippi Blues war das Auditorium nicht nur wach, sondern fest davon überzeugt, dass es Zeuge eines ganz großen Auftrittes eines absoluten Könners geworden war.
Mit den Rock-Evergreens Jonny B. Good und Suzie Q. holte Johnny Winter dann zwei weitere Asse aus dem Ärmel, die wiederum das Besondere an der texanischen Art, Musik zu machen, dokumentierten: So gefühlvoll und duldsam die Bluesnummern daherkommen, so aggressiv und kompromisslos, wie bei einem Showdown nach Wahl der Waffen, detoniert der Rock. Die Stimmung war schon nach kurzer Zeit auf dem Siedepunkt und Johnny Winter wäre kein Amerikaner, wenn er nicht gewusst hätte, wie er das halten kann. Er beruhigte das Publikum mit I´m Ready und Rockabilly Boogie, ehe er zum letzten Schlag ausholte. Quasi als Brücke diente ein Medley, ehe er das Konzert beschloss mit der wohl legendärsten Interpretation von Jumpin Jack Flash, mit einem Tempo, einer röhrenden und zitternden Gitarre und einem Gesang, der wie eine Urschreitherapie wirkte.
Das hier dokumentierte Konzert weist viele Tücken der damaligen Zeit auf, teils zu lange Soli, teils eine gänzlich aus der Mode gekommene Aufnahmetechnik. Aber es ist eines der ganz großen Rockkonzerte auf deutschem Boden. Zeiten kann man nicht zurückholen. Bestimmte Momente schon.
