Investigativer Populismus

Der Doktortitel ist in der akademischen Welt ein hohes Gut. Denn wer ihn erworben hat, belegt die Fähigkeit, sich einer wissenschaftlichen Fragestellung auf einem unerforschten Terrain aufgrund seiner eigenen methodologischen Fähigkeiten nähern zu können und dabei Erkenntnisse zu gewinnen, die neu sind. Denjenigen, die sich einer solchen Aufgabe stellen, ist es ins Pflichtheft geschrieben, alle Hilfsmittel, derer sie sich bedienen, als solche eindeutig zu kennzeichnen, um den Beurteilenden zu erleichtern, das Selbstständige und Eigenständige zu identifizieren. Da der Doktortitel zudem in Deutschland der einzige akademische Titel, der als Namensbestandteil geführt werden darf, ist er vor allem denjenigen, die ihn erworben haben, eine hohe Wertschätzung. Wenn man so will, bekommt man im Namen auftauchende Ehrung, die das Können würdigt.

Im Gegensatz zum Staatsexamen ist die Doktorwürde etwas, das man nur an einer einzigen Universität erlangen kann. Je nach dem Ruf einer Universität kann man auch die Qualität einer Promotion verorten. Hat man sie an einer global geachteten Universität erworben, gilt sie schon als Entree, ohne dass man ins Detail ginge. Demnach sind alle Universitäten sehr bedacht darauf, über die Qualität ihrer Doktoranden zu wachen. Sie sind es letztendlich, die zum Ruf einer Hochschule beitragen.

Beim Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg wurde der Verdacht des Plagiats im Rahmen seiner Dissertation von einem Hochschullehrer einer fremden Universität vorgetragen. Es ist ein schwerwiegender Vorwurf, der in unserem Land sogar zu einer strafrechtlichen Verfolgung auffordert. Einmal geäußert, ist es zunächst Aufgabe der die Doktorwürde an ihn verliehen habenden Universität von Bayreuth, der Anzeige nachzugehen. Diese wird dies tun, um ihren Ruf als eine akademisch verantwortliche und unbescholtene Institution zu wahren.

Die entstandenen Internetforen zur investigativen Klärung des Plagiatsvorwurfs haben keinen rechtsrelevanten Status und sie sind auch nicht autorisiert, dieses zu tun. Schaut man sich die Beiträge an, wird sehr schnell deutlich, dass es vor allem um Polemik geht und die Demontage des Ministers. Sie sind eine Missachtung der Autonomie der Universitäten und dokumentieren in mancher Hinsicht eine Emotionalität, die dem Sachverhalt unangemessen ist und eine bedenkliche Verve enthält, die an den sprachlichen Duktus autoritärer Regime erinnert. Der von der Anschuldigung durchaus betroffene Leser bekommt auf diesen Plattformen sehr schnell das Gefühl, dass die Souveränität über die zu fällenden Entscheidungen unbedingt dort bleiben muss, wo sie heute de jure noch ist: Bei den Universitäten selbst und nicht bei einem Ensemble von Halbwissenden, die aus politischen Gründen die Sau raus lassen. Wenn die Universität Bayreuth den Plagiatsvorwurf verifiziert, wird sie Guttenberg den Doktortitel aberkennen und die Staatsanwaltschaft aktiv werden.

Egal wie es ausgehen wird, es bleibt auch noch die Frage, warum der Vorwurf jetzt und bei dem Minister auftaucht, der mit der Reform der Bundeswehr das größte Innovationsprojekt seit langem am Bein hat. Des Weiteren sollten wir im Auge behalten, inwieweit die bei jeder Gelegenheit gepriesenen Foren des World Wide Web nicht auch zu einer Kulturrevolution von unten beitragen: Populismus und Ent-Institutionalisierung.

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