Was herrscht in diesem Land für ein Konsens, wenn es an das Zerfleddern der amerikanischen Doktrin der rogue states geht. Schurkenstaaten, so nannte es vor allem die Bush-Administration, seien die, die sich nicht an Freiheit und Gesetz hielten und die verwoben seien mit kriminellen Machenschaften. Und mit Schurkenstaaten dürfe man keine gemeinsame Sache machen, sondern man müsse sie anprangern und in der internationalen Staatengemeinschaft ächten.
Recht so, sagten und sagen in diesem Kontext viele Recht schaffende Menschen, denn, so ihre logisch unbezweifelbare Schlussfolgerung, wo käme denn die internationale Staatengemeinde hin, wenn sie gemeinsame Sache machte mit kriminellen Vereinigungen im Staatsgewand. Das Dumme seitens der Supermacht USA war nur immer und immer wieder, dass ihr nur dann das Schurkenhafte eines Staates gegen den Strich ging, wenn sich die Interessen nicht mit denen der USA deckten. Das war häufig in Südamerika der Fall, wo immer pro nordamerikanische Diktaturen ihre Völker knebelten, das war lange so mit den Philippinen, wo ein Diktator Marcos Unbeschreibliches trieb, aber geostrategisch in die globalen Pläne der USA passte wie der indonesische Tyrann Soeharto, der die größte Kommunistische Partei der Welt im Blut erstickt hatte, um an die Macht zu kommen und das ist seit Jahrzehnten mit Saudi Arabien so, einem reaktionären kriminellen Sklavenhalterstaat, dem kein Kriminaldelikt in seinem Regierungshandeln fehlt, aber der den Zugriff auf die Ressource Öl garantiert.
Die Kritik hierzulande an einer derartig perfiden moralisierenden Politik ist berechtigt und es täte den USA gut, wenn sie sich davon verabschiedeten. Die Bundesrepublik Deutschland aber aufgrund dessen von Verfehlungen freizusprechen, wäre einer der vielen unverzeihlichen Fehler, die aus einem tumben Anti-Amerikanismus allzu häufig entstehen. Denn auch die deutsche Außenpolitik ist nicht schlecht in der Fraternisierung oder Duldung von Schurkenstaaten, sofern die Kasse stimmt. Das war so mit Soehartos Indonesien, dessen letzter berufsmäßiger Killer Prabowo sogar auf deutschen Militärakademien geschult wurde, solange die indonesische Flugzeugindustrie von deutschen Vertragswerken abhing und solange die Meyer-Werft exklusiv die Fähren in den Staat der 13.000 Inseln lieferte. Soeharto, dessen Putsch in den sechziger Jahren 2 Millionen Menschen das Leben gekostet hatte und als Operacion Jakarta die Modellvorlage für den Staatstreich der chilenischen Militärs in Chile diente, wurde bis es nicht mehr ging von deutschen Diplomaten getragen, es waren schließlich 1998 die letzten, die das Land während dessen Sturz verließen.
Und nun reiben sich viele die Augen, als sie im Zeitalter der frei zugänglichen Informationen ganz unerwartet und plötzlich erfahren, dass im Land des billigen Urlaubs und der gemäßigten Verhältnisse Tunesien seit 23 Jahren die überaus korrupte Familie Ben Alis mit der wohlwollenden Duldung der Bundesrepublik geherrscht und das Land an den Abgrund geführt hat. Es gibt keinen Grund für eine moralische Entrüstung, sondern für eine Aufarbeitung der deutschen Beziehungen zu Schurkenstaaten.
