Max Weber, der Soziologe mit Scharf- und Weitblick, der sich der Wechselwirkung von Wirtschaft und Gesellschaft ebenso klug wie der Säkularisierung unserer Gedankenwelt widmete, von diesem Max Weber stammt ein fast lakonisch formulierter Satz, den wir uns heute zu eigen machen sollten, um das genauer zu betrachten, was als phänomenologisches Mirakel durch die Gazetten und Internetseiten gejagt wird. „Politik ist Herrschaft der Verwaltung im Alltag.“
Was als Selbstverständlichkeit durch den Gehörgang an unseren Verstand und unser Bewusstsein zu klopfen scheint, entpuppt sich als eine Botschaft mit explosiver Nachwirkung. Wenn dem so ist, dann wäre der Zustand der Politik noch schlechter als oftmals gefühlt. Nicht, dass Verwaltungen in den letzten Jahrzehnten nicht versucht hätten, sich mit Dienstleistungsangeboten den Bürgerinnen und Bürgern zu nähern. Nicht, dass Verwaltungen nicht versucht hätten, ihr Handeln verständlicher zu machen. Und erst gar nicht, dass wir den Verwaltungen par excellence unterstellen müssten, sie verstünden sich als Herrschaftsinstrument!
Nur, bei genauem Hinsehen ist selbst einem nicht mehr ganz so scharfen Auge recht schnell klar, dass die Steuerung der Verwaltung durch die Politik bis auf wenige Ausnahmen darin besteht, die exklusiv politisch beschlossene Entmündigung der Bürgerschaft durch ein immer dichter werdendes Netz von Regelungen und Verordnungen aggressiv durchzusetzen. Zugrunde liegt ein Weltbild, das in seiner Tiefe fußt auf Misstrauen und Verachtung. Misstrauen in die bewusste und freie Entscheidung selbstständiger Individuen und Verachtung gegenüber denjenigen, die ohne Bevormundung ihr Leben selbst nicht mehr gestalten könnten. Der Verfall der Bildung und die Erosion der Werte, die durch Erziehung vermittelt werden, tragen dazu bei, den Herrschaftsmythos des wohlmeinenden Staates über seine unmündigen Glieder zu etablieren.
Das entspräche insoweit alten Klischees von Herrschaft und Unterdrückung, wenn wir auf Seiten der Macht die universal Gebildeten und auf Seiten der Bemächtigten die Dummen sähen, die die heute Mächtigen so gern als Bildungsferne bezeichnen. Doch, so ist leicht festzustellen, dem ist nicht so. Die politische Klasse unterscheidet sich weder in ihrem Bildungsgrad noch in ihrer sittlichen Qualität signifikant von denen, mit denen sie es gerne treiben. Die Bürgerschaft wird gegängelt durch Bevormundung von temporär Herrschenden, die an ihre eigene Begünstigung denken und in den meisten Fällen nicht einmal mehr im Bewusstsein haben, in welchem Auftrag sie eigentlich handeln. Sie werden getrieben von profaner Egomanie.
„Politik ist Herrschaft der Verwaltung im Alltag.“ Das nicht nur Beschreibung, sondern gerinnt angesichts unserer täglichen Erfahrung zu einer bitteren Erkenntnis. Aber Wut allein macht es nicht aus, appellierte Berthold Brecht und fügte ebenfalls lakonisch hinzu: „So etwas muss praktische Folgen haben.“
